Maptivism - Mit Karten informieren und mobilisieren

27.01.2014| Christian Kreutz
Maps for Advocacy - Tactical Technology Collective

Das Internet hat die Welt der Kartographie revolutioniert. Während früher Kartenanwendungen aufwending in der Umsetzung waren, kann man heute umfassende Geo-Tools praktisch kostenlos nutzen. So können Laien heute digitale Karten selbst erstellen und mit eigenen Informationen kombinieren. Zum Beispiel als Alternative zur staatlichen Informationspolitik während der Reaktor-Katastrophe von Fukushima. Dort sammelten Freiwillige und NGOs Meßdaten von verschiedenen Orten. Alle Informationen liefen auf einer Online-Karte zusammen und boten eine alternative Informationsquelle. Der Vorteil von Karten: Jeder kann sie lesen und Karten sind ohnehin ein Alltagswerkzeug.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Nutzung von digitalen Karten:

  • Eine einfache Orientierung und Veranschaulichug durch eine Karte zum Beispiel für das Anzeigen von Standorten oder dem visualisieren von Statistiken.
  • Die Teilnahme von Nutzern, die Orte in Karten beitragen und so Informationen sammeln zu dem es vorher gar keine oder nur geschlossene Daten gab.
  • Die Darstellung komplexer Zusammenhänge mit verschiedenen Ebenen und kombinierter Geodaten in einer interaktiven Anwendung.
  • Location-based Services, wo mobile Karten helfen Nutzern Informationen im jeweiligen Kontext zu liefern und sie zu mobilisieren.

Mit Karten Orientierung schaffen

Visuelle Darstellungen erzeugen Neugier und Interesse und das gilt besonders für Karten, die populär auf vielen Webseiten sind. So können zum Beispiel große Statistiken einfach dargestellt werden. Auf offene-entwicklungshilfe.de werden die Ausgaben der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit in einer Karte dargestellt (Screenshot). Über die Abstufung von Farben können schnell die Unterscchiede der weltweiten Ausgaben ermittelt werden. Die dahinter liegende Software ist als Open Source Software frei verfügbar und mit Anbietern, wie Mapbox.com kann man mit wenig Geld sogar einen eigenen Karten-Server unterhalten und selbst Karten nach individuellen Bedürfnissen gestalten. So können Karten für spezifische Kampagnen entwickelt werden, wie zur Ernährungskrise am Horn von Afrika vom World Food Programme, wo viele Informationen geschickt auf einer Karte integriert sind.

Das Handy als Beteiligungsinstrument

Mit Hilfe eines Smart Phones und dem darin enthaltenen GPS (Global Position System), können Nutzer auch einfach spezifische Standorte beitragen. Ein Punkt auf der Karte und eine kleine Beschreibung genügen und schon entsteht aus dem kollektiven Sammlung ein hilfreicher Datensatz, wo es vorher keine oder nur kostenpflichtige Daten gab. Ein bekanntes Beispiel ist Wheelmaps.org zur Darstellung barrierefreier Orte. Aber auch auf Open Green Map werden Internetnutzer eingeladen die ökologisch-kulturellen Eigenschaften ihrer Umgebung zu kartieren, nach dem Motto "Think Global, Map Local". Für den gemeinnützigen Bereich ergeben sich faszinierende Möglichkeiten, wie auch die Einführung ‘Maps for Advocacy' des Tactical Tech Collective anschaulich beschreibt.

Mit Karten komplexe Daten erforschen Mit digitalen Karten können Organisationen aber auch komplexe Sachverhalte entschlüsseln und spannende Anwendungen entwickeln. Zum Beipiel die Einwohnerzahl im Einzuggebietes eines Kernkraftwerkes oder die Berechnung des Fluglärms vom neuen Berliner Flughafen. Solche Anwendungen erlauben dem Nutzer selbst die Information im eigenen Kontext zu erforschen. Wie im Fall von Frankfurt-Gestalten.de, wo Themen der Lokalpolitik in einer Karte veranschaulicht werden. Hier kann jeder Bürger aktuelle Infos aus der Nachbarschaft abonnieren und die Entscheidungen der Ortsbeiräte online diskutieren. Möglich werden solche Anwendungen durch eine aktive Open Source Community, wie das Projekt OpenStreetMap, wo alle Kartenmaterialien inklusive der dahinterstehenden Geodaten frei zur Verfügung stehen. Vorteil: Man umgeht werbefinanzierten und teure Lizenzen von vielen Anbietern.

Informationen im Kontext Ihre ganze Stärke entfalten Geo-Anwendungen auf Smart Phones, weil dort Information kontextabhängig geliefert werden können. Die Sunlight Foundation in den USA hat die Anwendung Sitegeist entwickelt, die das Potenzial aufzeigen. Unter dem Slogan: "Understand and uncover the identity of your location with a tap" werden unterschiedliche Information zur Umgebung geliefert, wie Mietpreise, Umweltdaten und vieles mehr. Doch solche Anwendungen können auch problemaisch sein wenn zum Beispiel Nutzerdaten ungefragt gesammelt werden. Zudem kann eine Statistik allein harmlos sein, aber in der Kombination mit anderen Daten zu Diskriminierung führen, beispielsweise wenn durch gutgemeinte Transparenz einzelne Gruppen benachteiligt werden. In Indien führte die Kartographierung von informellen Stadtgebiete dazu, dass wohlhabende Personen nun erst die Grundlage für Grundstückskäufe hatten. Doch gerade im Nonprofit-Bereich bieten digitalen Karten eine große Potenzial für Kampagnen und zur Mobilisierung von Bürgern.

Der Text ist im NGO Leitfaden - Internet für NGOs erschienen